Steine in Raum und Zeit

Sie sind Unikate, steinalt und aktueller denn je. Seit jeher begleiten Steine die Menschheit. Manche Lebensweisheit rankt sich um den starken Ur-Werkstoff.

Sie waren das Material, aus dem er seine ersten Werkzeuge, die ersten Waffen schuf. Sie waren seine Zufluchtsorte, seine Heiligtümer, seine Gräber. Und sie gaben ihm das Licht und die Wärme des Feuers, gewonnen aus dem Funken, der beim gegeneinander schlagen spröder Kiesel entstand.

Anwendungsbild einer SANTURO Mauer

Einst hielt man Steine für das Knochengerüst der Erde. Dass aus ihnen die Menschen entstanden, ist ein verbreitetes Motiv in Mythen und Sagen. Nicht selten galten auch Steine als lebendige, mitteilungsfähige Wesen, nur von sehr langsamer Art. Weshalb der Literat und Philosoph Roger Caillois empfahl, sich besinnlich in sie zu versenken, sei darin doch „die Zeit angehalten". Ansonsten waren Steine ein Hort rätselhafter magischer Kräfte, die mit Beschwö rungen, Opferbräuchen und Frucht barkeitsriten erweckt werden konnten. Wunderdinge sagte man auffälligen Findlingen und Felsen nach, von denen etliche auch dieser Tage noch Wallfahrtsorte sind. Dazu gehören auch die gewaltigen Menhire und andere unbegreifliche Zeugnisse einer verschollenen Megalithkultur. Krankheiten wurden auf Steine übertragen, sie dienten zum Liebes orakel und anderen Wahrsage künsten, sollten den Erntesegen sichern. In edlen Mineralien und Kristallen erspürte man konzentrierte positive Energien, was in spirituell orientierten Kreisen und bei alternativen Heilkundigen immer noch – oder wieder – großen Anklang findet.

Wo vermeintlich böse Geister umtrieben, Hexerei im Spiel war oder Unheil drohte, warfen abergläubische Leute drei Steine auf den Weg. Daran erinnert eine auf Behinderungen abzielende Redensart, der allerdings schon Johann Wolfgang von Goethe eher Gutes abgewann: „Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen". Eine Erkenntnis, die ganz wörtlich zu nehmen sich durchaus lohnt.

Viele Sprichwörter drehen sich um Steine. Der biblische, auf die Steinigung als Todesstrafe bezogene Appell „Wer ohne Schuld ist ...." hat im Laufe der Zeit etliche Wendungen ins Freundlichere erfahren, bis hin zum Glashaus, worin man nicht mit Steinen werfen sollte. Dichter und Philosophen hinterließen unsterbliche Aphorismen, etwa Ovid: „Steter Tropfen höhlt den Stein". Auch der Volksmund gab seine Belange zum Besten, bekräftigte Aussagen bis hin zur Wetterlage mit der alten Eidformel „Stein und Bein" ( ... frieren, klagen, leugnen und vieles mehr), brachte „Steine ins Rollen" und fühlt sich immer noch erleichtert, wenn „ein Stein vom Herzen gefallen" ist, um nur wenige Beispiele zu nennen.

Sprichwörtlich ist auch der legendäre Stein der Weisen geworden. Oft ironisch gemeint, um etwas als Phantasterei bloßzustellen. Die Alchemisten verstanden darunter eine Substanz, mit der minderwertige Metalle in Gold verwandelt werden könnten. Dies ist  soweit man weiß nie gelungen, obgleich die Idee anderthalb Jahrtausende lang selbst klügste Köpfe in Bann schlug, ganz zu schweigen von Fürsten und Königen, die Mühe hatten, ihre Prunksucht zu bezahlen.
Ganz ergebnislos endete die Suche nach dem geheimnisvollen Medium aber nicht. Zum Beispiel entdeckte in diesem Zusammenhang Hennig Brand, ein deutscher Apotheker und Alchemist, 1669 das Element Phosphor. Und dem Alchemisten Johann Friedrich Böttger wird 1717 die Erfindung des europäischen Porzellans zugeschrieben. Tatsächlich soll es den wahren Eingeweihten gar nicht um materiellen Reichtum gegangen sein, sondern vielmehr um einen Prozess zur Läuterung der Seele. Wie dem auch sei, im achtzehnten Jahrhundert hielt der Schriftsteller Magnus Gottfried Lichtwer schmunzelnd fest: „Vergnügt sein ohne Gold, das ist der Stein der Weisen."

 

Dipl.-Ing. Karlheinz Flubacher